Ernährung & Gesundheit
kontrovers

News - 1.3.2011

DGE-Leitlinie Kohlenhydrate inkonsequent

Fachgesellschaft stellt neue Leitlinie ins Netz

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) wertete kürzlich die wissenschaftliche Literatur zum Thema Kohlenhydrate in der Prävention ernährungmitbedingter Erkrankungen aus. Ergebnis ist eine Leitlinie, die Ernährungsberatern und Medien „wissenschaftlich abgesicherte Informationen“ bieten soll. Doch tut sie das auch?

Die Leitlinie zur Bedeutung der Kohlenhydrate in der Vorbeugung von Übergewicht, Typ-2-Diabetes, Koronaren Herzkrankheiten, Bluthochdruck, Krebs und Fettstoffwechselstörungen war lange erwartet worden. Schließlich rät die DGE dazu, mehr als 50 Prozent der Kalorien in Form von Kohlenhydraten zu essen und begründete dies stets mit gesundheitlichen Vorteilen. Die Ergebnisse ihrer Literaturauswertung ergab jedoch keinerlei vorbeugenden Effekt einer hohen Kohlenhydratzufuhr.

Lediglich ein hoher Konsum von Ballaststoffen bzw. Vollkornprodukten zeigte ein wenig Wirkung, die Evidenz dafür wurde jedoch nur als "wahrscheinlich" und nicht als "überzeugend" eingestuft. Andererseits fand sich bei hohem Konsum zuckergesüßter Getränke eine "wahrscheinliche" Evidenz für ein steigendes Adipositas- und Typ-2-Diabetes-Risiko. Ansonsten: Fehlanzeige! Keine nachweisbaren Effekte einer kohlenhydratreichen Ernährung in der Primärprävention.

Mein Senf dazu

Nachdem auch die Fettleitlinie der DGE nicht viel erbracht hat (und die Empfehlungen der DGE nicht umfänglich stützt), heißt das für mich: Wer (noch) schlank und gesund ist, kann essen, was ihm schmeckt und gut bekommt. Ob die DGE nun ihre Empfehlungen ändert? Weit gefehlt. Obwohl man zugeben musste, dass die KH-Leitlinie „keine Aussage zur optimalen Höhe der Kohlenhydratzufuhr" erlaubt, könne man nun Empfehlungen zur Kohlenhydratqualität geben, die „die bisherigen DGE-Empfehlungen zur Lebensmittelauswahl unterstützen".

Noch unverständlicher wird diese Position vor dem Hintergrund der Beeinflussung von Risikofaktoren durch Kohlenhydrate. So stellt die DGE in ihrer KH-Leitlinie klar heraus, dass sich der Quotient aus Gesamt- und HDL-Cholesterin verschlechtert, wenn Kohlenhydrate anstelle von ungesättigten Fetten gegessen werden. Ersetzen die Kohlenhydrate gesättigte Fettsäuren, verbessert er sich nicht. Die DGE bestätigt auch, dass eine hohe Kohlenhydratzufuhr zulasten der Fette - wie seit Jahrzehnten von ihr empfohlen - die Triglyzeride steigert und das HDL-Cholesterin senkt und dass sich diese Effekte mit zunehmendem Übergewicht verstärken. Unterm Strich also jede Menge ungünstiger Wirkungen für die von der DGE empfohlenen Änderungen im Essverhalten. Ernährungsberater aller (Bundes-)Länder: merkt diese Unstimmigkeiten denn keiner?

So als fürchte man sich vor den logischen Konsequenzen der eigenen Leitlinie, erschien begleitend ein Positionspapier, das die bisherigen Empfehlungen verteidigt. Ganz am Ende findet sich jedoch ein Hoffnungsschimmer: Dort heißt es, unter vier Bedingungen sei eine geringere Kohlenhydratzufuhr als bisher „vertretbar“. Über die genannten Bedingungen ließe sich zwar streiten. Gleichwohl könnte dieses „Zugeständnis“ der Beginn vom Ende der hohen Kohlenhydratempfehlungen der DGE sein.