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Krebspatienten von low-carb und keto abraten?

Die von vielen Ernährungsberaterinnen gelesene Fachzeitschrift Ernährungs Umschau veröffentlichte eine Stellungnahme, in der dazu aufgerufen wird, Krebspatienten und -patientinnen von “der Anwendung einer kohlenhydratarmen oder ketogenen Diät” abzuraten. Was ist davon zu halten?

Aus Mangel an Beweisen?

Zum jetzigen Zeitpunkt, so die Autoren der Stellungnahme, lägen keine wissenschaftlichen Untersuchungen vor, die belegen würden, dass low-carb oder keto das Wachstum oder die Metastasierung von Tumoren beim Menschen verhindern oder zurückdrängen könnte oder die Wirksamkeit oder Verträglichkeit einer Chemo- und/oder Strahlentherapie verbessert. Daher könnten kohlenhydratarme und ketogene Diäten bei onkologischen Erkrankungen aufgrund “der aktuellen Datenlage … nicht empfohlen werden”. Und: Patienten, die sich dafür interessierten, “sollten frühzeitig und intensiv zu den möglichen negativen Auswirkungen beraten werden.” (Ich frage mich: Warum sollen sie nicht auch zu den möglichen Vorteilen beraten werden?)

Diese Aussagen stammen von der Arbeitsgemeinschaft Prävention und Integrative Onkologie (PRIO) in der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM). Wer die Stellungnahme liest – die übrigens keinem Peer-Review unterliegt – stellt schnell fest, dass hier sehr spitzfindig formuliert wurde:

  • randomisierte Studien, die die Vorteile einer deutlichen Kohlenhydratreduktion eindeutig belegen, gibt es in der Tat noch nicht, doch es gibt schon viele vielversprechende Erkenntnisse (z. B. hier, hier und hier), 
  • dass die vorliegenden Studien, sofern sie Vorteile einer ketogenen Ernährung fanden, sehr kritisch beurteilt, ja regelrecht “zerpflückt” wurden und
  • dass einseitig auf die möglichen (übertrieben dargestellten) Nachteile abgehoben wird, z. B. soll eine ketogene Ernährung schon innerhalb “weniger Tage” das Risiko einer Mangelernährung erhöhen. Insbesondere die unter ketogener Ernährung beschriebenen Gewichtsverluste werden pauschal als negativ beurteilt.

Wir stehen am Beginn einer Revolution!

So beschreibt zeitgleich ein prominentes Ärzteteam aus den USA den aktuellen Forschungsstand zum Thema Ernährung bei Krebs in Nature Reviews Cancer. Auch hier wird (zurecht) hervorgehoben, dass wir mehr randomisiert-kontrollierte Studien brauchen, um den Einfluss der Ernährung bei onkologischen Erkrankungen besser zu verstehen und um letztlich zu präzisen und individualisierten Empfehlungen zu kommen. Doch sei es an der Zeit, die bereits vorliegenden vielversprechenden Erkenntnisse zu nutzen, um die metabolischen Achillesfersen verschiedener Krebszellen und -stadien mithilfe diätetischer Therapien anzugehen. Und dazu gehörten auch Einschränkungen der Energie- und der Makronährstoffzufuhr sowie intermittierendes Fasten.

Mein Senf dazu

Aufgrund der prominenten Organisationen genießt die AG PRIO großen Respekt und wird häufig zitiert. Die Leiterin der AG, Prof. Hübner aus Jena, darf ihre Meinung zudem oft in Fernsehsendungen kundtun. Allerdings macht es sich die AG PRIO meiner Ansicht nach zu einfach, indem sie immerzu von low-carb/keto abrät, bis es bessere Studien gäbe – zumal sie alle positiven Studien, die es schon gibt, diskreditiert. Auch können oder wollen viele Krebspatienten nicht solange warten, bis es die perfekte Studienlage gibt.

Ich kenne im Übrigen mehrere Wissenschaftler, die seit Jahren versuchen, randomisiertkontrollierte Studien zur ketogenen Ernährung bei Krebs durchzuführen, die ihre Anträge aber nicht durchkriegen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Die Studien, die von den Kritikern (zurecht) gefordert werden, können nicht gemacht werden, weil sie nicht genehmigt bzw. gefördert werden. So können die Kritiker weiter kritisieren, während die genehmigt bzw. gefördert werden. So können die Kritiker weiter kritisieren, während die nötigen Daten nicht generiert werden und alles bleibt, wie es ist. Dumm nur, dass diese Spielchen auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden. Denen man dann gerne ungeniert eine (kohlenhydratreiche) Ernährung à la DGE empfiehlt. Wo ist eigentlich die Evidenz aus randomisiert-kontrollierten Studien für diese Kostform?

Quellen:

Schmidt, L et al.: Ketogene und kohlenhydratarme Diäten bei krebskranken Menschen. Ernaehrungs Umschau International 2022;H.7:M368-M373

Taylor, SR et al.: Developing dietary interventions as therapy for cancer. Nature Reviews Cancer 2022;22:452-466

Präsenzseminare zur therapeutischen Anwendung der ketogenen Ernährung bietet die Keto-Akademie in Freiburg:
nächster Termin (18 Fortbildungspunkte von der Ärztekammer Baden-Württemberg) ist der 25. und 26. November 2022.

 

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Diplom Oecotrophologin, Freie Wissenschaftsjournalistin, neugierig, kritisch, undogmatisch

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