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Jubiläumsartikel: Vom fettmachenden Fett und den schlankmachenden Fettersatzstoffen. Ein Wintermärchen. (1996)

Fett macht Fett. Das klingt plausibel. Jedes Gramm Fett auf unserer Butterstulle liefert mehr als doppelt so viele Kalorien wie die Kohlenhydrate in den Kartoffeln oder das Eiweiß im Steak. Mit 100 Gramm Fettigem kommen wir auf über 900 Kalorien, für figurbewußte Zeitgenossen ein Alptraum. Dabei verzehrt der „Durchschnittsbürger“ im Mittel 120 Gramm Fett pro Tag. Viel zu viel, warnen auch Ärzte und Ernährungsexperten. Uns bedrohten Übergewicht, verstopfte Blutgefäße, Herzverfettung und Infarkt.

Also muß gespart werden! Weniger Fett heißt die Devise, dann werden wir schlank und bleiben gesund. Von derzeit rund 40 % Fettkalorien sollen wir auf höchstens 30 % herunterschrauben. Die Japaner äßen schließlich auch nur 10 % ihrer Kalorien in Form von Fett und würden dafür mit der niedrigsten Herzinfarktrate aller Industrienationen belohnt. Der Verzicht auf Eisbein und Sahnetorte soll zudem recht einfach sein, schließlich gebe es eine breite Palette an mageren Milchprodukten, fettarmen Käse- und Wurstsorten, halbfette Butter und Margarine, ganz zu schweigen von den ungezählten Lightprodukten.

Mittlerweile heißt es sogar, Kalorienzählen sei „out“, es genüge vielmehr, nur auf das Fett zu achten. Stimme der prozentuale Fettanteil der Tageskost, dann könne man essen soviel man wolle. Endlich das Paradies auf Erden. Doch ganz so einfach scheint es nicht zu sein, auf die Sahne zu verzichten: Unser Fettverbrauch blieb über die Jahre schlicht konstant. So stieg z. B. mit dem Verkauf von mageren Käsesorten auch der Absatz besonders fetter Sorten.

Zwei Dinge sind beim Fett von Bedeutung: Zunächst einmal gibt es keine stichhaltigen Beweise dafür, daß Fett wirklich krank macht. Und zweitens: Selbst wenn es stimmte, daß ein hoher Fettverzehr öfter mit Übergewicht einhergeht, so heißt das noch lange nicht, daß Fettsparen schlank macht.

Die Fett-Hysterie hat längst dazu geführt, daß Ersatzstoffe entwickelt wurden. Brandneu auf den amerikanischen Markt kommen jetzt Knabberartikel, die mit „Olestra“ von Procter & Gamble hergestellt wurden. Das Kunstfett schmeckt wie Fett, kann jedoch vom Körper nicht verdaut werden und daher buchstäblich in die Hose gehen: Das Pseudofett tropft dem figurbewußten Esser aus dem „Hintertürchen“. Diese peinliche Nebenwirkung veranlasste die Hersteller, an einer „analen Auslaufsperre“ zu arbeiten. Die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat „Olestra“ gerade zugelassen – allerdings müssen die damit produzierten Chips einen Warnhinweis tragen.

Die für uns entscheidende Frage lautet: Hilft Fettersatz beim Abnehmen und Schlankbleiben? Die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen zur Klärung dieser Frage fallen ernüchternd aus. Studien der Hersteller haben gezeigt, daß Fettersatzstoffe keineswegs zu einer Gewichtsabnahme führen. Im Tierversuch fraßen sowohl Hunde als auch Ratten einfach mehr, wenn ihnen Fettersatz ins Futter gemischt wurde. Manche wurden sogar umso dicker, je mehr Fett-Ersatz im Futter war.

… Bei den Kindern, denen man Pseudofette verabreichte, dauerte es gerade mal 48 Stunden, bis sie die fehlenden Kalorien wieder ausgeglichen hatten. Woran liegt´s? Mensch und Tier sind von der Natur mit einer präzisen Regulation für die Nahrungsaufnahme versehen worden. …  Diese natürliche Appetit- und Gewichtsregulation läßt sich nicht einfach durch Fettsparen austricksen. Mit Fettersatzstoffen und Lightprodukten werden die Kalorien schlicht teurer. Die Gewichtsprobleme, zu deren Beseitigung sie konzipiert wurden, werden sie nicht lösen. …

Diplom Oecotrophologin, Freie Wissenschaftsjournalistin, neugierig, kritisch, undogmatisch

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