Am 9. Oktober titelte Focus online „Tierisches oder pflanzliches Protein? Was Sie von Ihrem Speiseplan…
Jubiläumsartikel: Dick durch Limo, Cola & Co.? (2011)
Die Welt wird immer runder – von China über Mexiko und die USA bis nach Europa beklagen die Gesundheitsexperten einen beunruhigenden Anstieg der Fettleibigkeit. Betroffen sind immer mehr Kinder, unstrittig auch in Deutschland. Wobei auffällt, dass das Durchschnittsgewicht der Kinder sich nicht verändert hat. Das heißt, dass es nicht nur mehr übergewichtige, sondern auch mehr untergewichtige Kinder gibt, die mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit erforderten. Ein weiteres Problem ist, dass die dicken Menschen immer dicker werden. Beratungs-, Sport- und Diätangebote gibt es wie Sand am Meer, gleichwohl scheint die Lösung des Problems in weiter Ferne. Denn je dicker der Mensch, desto schwerer fällt ihm oft die Bewegung, die meisten Diäten wirken nur kurzfristig, und angesichts übervoller Regale und allgegenwärtiger, preiswerter Ess- und Trinkangebote ist es nun einmal schwer, dauernd auf all die vermeintlichen leckeren Köstlichkeiten zu verzichten.
Wer glaubt, Dicke müssten einfach nur weniger essen, verkennt die Komplexität des Problems und wird den betroffenen Menschen nicht gerecht. Zumal es der Wissenschaft bis heute nicht gelungen ist, eindeutig festzustellen, welche Lebensmittel für das Anschwellen der Bäuche verantwortlich sind. So fanden Studien keinen Unterschied in der Häufigkeit des Süßigkeitenkonsums zwischen dünnen und dicken Kindern. Auch der Fett- und Kohlenhydratverzehr dicker Kinder unterschied sich vielfach nicht von dem normalgewichtiger Kinder. Im Gegenteil, es gibt sogar mehrere Studien, die zeigen, dass ein hoher Kohlenhydrat- und Zuckerkonsum mit einem geringeren Gewicht einhergeht. Warum das so ist, ist unklar. Möglicherweise bewegten sich die dünneren Studienteilnehmer häufiger und verbrauchten deswegen mehr Kohlenhydrate. Vieles deutet auch darauf hin, dass eine Veranlagung zum Dickwerden vorhanden sein muss, dass es nicht allein darauf ankommt, was gegessen und wie viel sich bewegt wird.
Für die Süßwaren- und Süßgetränkeindustrie sind diese Unklarheiten ein Segen, können sie doch bislang generös darauf hinweisen, dass es keineswegs wissenschaftlich eindeutig erwiesen sei, ob Zucker bzw. Süßes überhaupt dick mache. Noch immer streitet vor allem die US-Zuckerindustrie mit den Gesundheitsorganisationen industrialisierter Länder darüber, ob sich eine Obergrenze für einen angemessenen Zuckerkonsum wissenschaftlich rechtfertigen lässt. Doch allmählich wird die Luft dünner, denn neueren Studien zufolge sind vor allem süße Getränke ein wesentlicher Faktor in der Entstehung kindlichen Übergewichts.
Das amerikanische Kinderärztefachblatt Journal of Pediatrics berichtete kürzlich von mehreren US-Universitäten, die einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von süßen Erfrischungsgetränken und dem zunehmenden Übergewicht von Kindern und Jugendlichen fanden. Inzwischen konsumieren Teenager in den Vereinigten Staaten durchschnittlich zwei Dosen solcher „Softdrinks“ pro Tag. Das entspricht 300 Kilokalorien und 20 Teelöffeln Zucker, und die liefern 20 Prozent der täglichen Kalorien. Nach Ansicht vieler Ernährungsorganisationen sollte der Konsum von zugesetztem Zucker 10 Prozent der täglichen Energiezufuhr nicht überschreiten, um keine gesundheitlichen Probleme hervorzurufen.
Professor David Ludwig von der Kinderklinik der Harvard Universität in Boston ist der Frage nach dem Einfluss süßer Getränke auf die Gewichtsentwicklung von elf- bis zwölfjährigen Schulkindern Kindern nachgegangen. Er errechnete, dass mit jedem zusätzlich verzehrten Softdrink ebenso wie mit zunehmender Häufigkeit des Konsums das Körpergewicht steigt. Da er das übrige Ernährungs- und Bewegungsverhalten der Kinder in seiner Analyse berücksichtigte, stellt der Konsum von süßen Erfrischungsgetränken einen eigenständigen Risikofaktor für Übergewicht dar.
Als Ursache nimmt man an, dass der Körper den Kaloriengehalt der Getränke nicht ausreichend kompensieren kann. Normalerweise essen wir bei der nächsten Mahlzeit weniger, wenn wir zuvor schon reichlich Kalorien gefuttert haben. Bei flüssigen Kalorien funktioniert dieser Ausgleich zwar bei Kleinkindern noch gut, verliert sich dann aber rasch. Das heißt, dass der Organismus offenbar Schwierigkeiten damit hat, nach flüssigen Kalorienlieferanten seinen Appetit entsprechend zu verringern. Zudem weiß man, dass die normalen Anpassungsmechanismen bei dicken Kindern ohnehin schlechter funktionieren.
Es gibt noch einen weiteren Grund, warum Softdrinks, aber auch süße Snacks immer mehr in die Kritik geraten: Die Lebensmittelindustrie süßt zunehmend weniger mit herkömmlichem Zucker, sondern verwendet stattdessen fruchtzuckerreiche Glukosesirupe, die preiswert aus Maisstärke gewonnen werden können. Das hat in den USA beispielsweise dazu geführt, dass der Verbrauch von Rüben- und Rohrzucker in den letzten 40 Jahren von 44 auf 29 Kilo pro Person und Jahr sank. Durch die Verwendung der süßenden Sirupe stieg der Gesamtverbrauch an kalorienhaltigen Süßungsmitteln jedoch von 51 auf über 66 Kilo. Neben der Gesamtmenge an Kalorien kritisieren Ernährungswissenschaftler und Mediziner, dass durch die Glukosesirupe der Konsum von Fruchtzucker enorm gestiegen ist. Er macht inzwischen rund 40% der industriell zugesetzten Zuckermenge aus. Bei US-Teenagern, die viel Süßes essen und trinken, stammen bis zu 17 Prozent der täglich verzehrten Kalorien allein aus Fructose.
Der Begriff Fruchtzucker klingt zwar äußerst gesund, doch die großen Mengen zugesetzter Fruktose stören den Zuckerstoffwechsel im Körper, belasten die Leber und veranlassen sie zu einer erhöhten Fettproduktion. Kanadische Forscher sehen in den großen Fruktosemengen industriell gesüßter Speisen und Getränke sogar eine Ursache für das gehäufte Auftreten des Metabolischen Syndroms. Diese Krankheit ist gekennzeichnet durch Fett- und Zuckerstoffwechselstörungen und das zunehmende Unvermögen des Körpers, auf das Hormon Insulin zu reagieren, das von der Bauchspeicheldrüse ausgeschüttet wird. Bleibt diese so genannte Insulinresistenz länger bestehen, führt sie in vielen Fällen zu Diabetes. Und wer an Diabetes leidet, hat ein vierfach erhöhtes Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen. Das Metabolische Syndrom findet sich besonders häufig bei Übergewichtigen. Gerade ihnen scheinen daher fruchtzuckerreiche Speisen und Getränke am wenigsten zu bekommen.
Besorgnis erregend ist auch, dass Kinder umso weniger Milch trinken, je mehr Softdrinks sie zu sich nehmen. Zwar enthält Milch auch reichlich Kalorien und ist daher eher als flüssiges Nahrungsmittel denn als Getränk einzustufen. Doch ist der Nährwert von Milch ungleich höher als der von bunten Süßgetränken. Sie liefert unter anderem Calcium für eine gesundes Skelett und gesunde Zähne, hochwertiges Eiweiß für optimales Wachstum und eine gute Sättigung sowie die Vitamine B2, B12, A und D. Inzwischen konnten mehrere Studien zeigen, dass Milchtrinker, Joghurt- und Quarkesser weniger zu Übergewicht neigen als Milchabstinenzler. In dem Maß wie Süßgetränke die Milch vom Speiseplan verdrängen, wird die Ernährung qualitativ schlechter und das Risiko für zu viel Speck auf den Rippen steigt.
Natürlich sind süße Getränke nicht die einzigen Verursacher von Übergewicht. Doch die Anmutung der Werbung, dass es sich bei Cola & Co. um ideale Durstlöscher handelt, ist falsch, insbesondere für Kinder. Wer von klein auf gewohnt ist, Wasser zu trinken, empfindet es als völlig normal und vermisst nichts. Denn Geschmacksvorlieben werden früh geprägt und erweisen sich als recht stabil. Deswegen ist es so schwer, einmal lieb gewonnene Ess- und Trinkgewohnheiten zu ändern. Doch wer es schafft, seinen Softdrinkkonsum zu reduzieren, wer Limo, Cola, Eistee, Energy Drinks oder Radler nur glasweise und gelegentlich als „Genussmittel“ konsumiert und zum Durstlöschen Wasser oder andere zucker- und kalorienfreie Getränke wählt, der hat eine reelle Chance besser in Form zu bleiben oder ein paar überschüssige Kilos zu verlieren.
Hallo Frau Gonder,
ich habe mich gerade auf Ihrer hochinteressanten Internetseite „festgelesen“ und nehme dankbar ihre Texte auf. Da Sie sich selbst als neugierig, kritisch und undogmatisch empfinden, kam ich auf die Idee, Ihnen zum Thema MILCH im obigen Artikel ein Buch zu empfehlen, falls Sie es nicht schon kennen. Das wissenschaftliche Buch mit dem Titel MILCH BESSER NICHT von Frau Prof. Maria Rollinger wäre für Sie als Wissenschafts-
journalistin sicher wertvoll, zumal es unter unwahrscheinlich vielen anderen Aspekten, was Calcium anbelangt, eine völlig andere Erkenntnis vermittelt als die übliche.
Ich habe das Buch im September gelesen und daraufhin versuchsweise Milch und Milchprodukte so gut es ging weggelassen, und zwar nur deshalb, weil ziemlich am Ende des Buches erwähnt ist, daß Milch auch Asthma erzeugen könne. Seit etwa 40 Jahren leide ich an Asthma, chronischer Sinusitis und chronischem Husten und nehme seit ca 25 Jahren täglich Cortisonspray, wobei der Husten trotz des Sprays manchmal katastrophal war. Ich war bei Fachärzten, in der Uniklinik Würzburg, in einer Lungenklinik in Cottbus, habe unzählige CTs deshalb über mich ergehen lassen und schätzungsweise 30000 € Arzt- und Medikamentenkosten verursacht. Es ist fast unglaublich, aber nach wenigen Tagen Milchkarenz war der Husten weg ! Inzwischen nehme ich kein Spray mehr und Asthma und Husten bleiben spurlos verschwunden. Was wirklich noch unglaublicher ist, ist der Umstand, daß keiner der Professoren und Ärzte je auf die Idee kam, mich auf die Milch hinzuweisen. Nach den Informationen aus dem genannten Buch zu urteilen, glaube ich nicht, daß es sich bei mir um einen Einzelfall handelt.
Mit freundlichen Grüßen
Hartmut Kappes
Hallo Herr Kappes und vielen Dank für Ihren ausführlichen Kommentar. Das genannte Buch kenne ich, und ich weiß auch, dass es etliche Menschen gibt, die vom Weglassen der Milch profitieren – ihr eigenes Beispiel zeigt es. Es zeigt auch, wie wichtig es ist, individuell vorzugehen und bei Beschwerden/Krankheiten alles mögliche auszuprobieren. Es nützt eben nichts, dogmatisch zu sagen, Milch ist gut oder schlecht, sondern es für den jeweiligen Menschen herauszufinden, indem man es ausprobiert. Ihnen weiterhin alles Gute!